Spielt mein Blut nicht mehr mit?
Es ist unklar, ob ich genügend weisse Blutkörper habe, um die Chemotherapie zu machen. Das weiss ich seit gestern und es hat mich beschäftigt, obwohl mir die Fachfrau von der Onkologie versichert hat, dass solche Schwankungen durchaus normal seien, denn die Blutwerte waren fünf Tage vorher noch hervorragend.
Vor der Chemo muss ich also ins Labor für einen Fingerstich. Oben in der Onkologie erfahre ich dann, dass sich die Blutwerte erholt haben. Ich bin erleichtert und freue mich auf die nächste Chemo.
Ich bin die Erste. Eine Fachfrau setzt mir den Venenzugang, sie muss ziemlich lange eine geeignete Vene suchen, da ich eher feine Venen hab. Sie entscheidet sich für eine Blutbahn und sticht gekonnt. Ich erhalte das ganze Vorbereitungszeremoniell mit Flüssigkeit und Tablette gegen Übelkeit und normaler „Spülung“ mit Natriumchlorid (Kochsalzlösung).
Dann folgt Atezolizumab oder eben das Placebo, wie eine andere Fachfrau meint. Eine weitere ist überzeugt, das sei sicher Atezolizumab und fragt mich, wie ich das sehe. Ich hatte vor einiger Zeit kurze Bedenken, aber grundsätzlich bin ich immer davon ausgegangen, dass es Atezolizumab ist. Warum, weiss ich nicht, und ich werde es auch nie erfahren, da es sich ja um eine Doppelblindstudie handelt. Dieser Stoff tröpfelt dann etwa eine halbe in mich hinein. Ich begrüsse ihn und teile ihm mit, dass ich mich freue auf seinen Einsatz, seine Unterstützung, mein Immunsystem aufzubauen und danke ihm. Ich spüre ein Kribbeln, im ganzen Körper, am stärksten in den Oberschenkeln.
Um 10.45 Uhr wird dann Taxol angehängt, das erste Medikament der Chemotherapie, das während drei Stunden läuft. Mir war bis anhin diese recht lange Dauer nicht bewusst. Auch Taxol heisse ich herzlich willkommen und versuche, den Stoff zu spüren. Ich sehe ein pulsierendes, flüssiges Rot, das sehr bewegt ist. Taxol freut sich auf seinen Einsatz und ich bin ihm dankbar für seine Unterstützung.
Um 14 Uhr dann der Wechsel auf Carboplatin, das nächste Medikament der Chemotherapie. Ich erlebe Carboplatin als zähe, grüne Flüssigkeit, die genau weiss, was sie zu tun hat. Auch sie begrüsse ich herzlich. Carboplatin erhalte ich über eine halbe Stunden. Zum Schluss ist dann noch Nachkühlen mit der Haube angesagt, das etwa 40 Minuten dauert.
Die junge Frau mit den beiden Kindern ist wieder da und eine, die ich noch nie gesehen habe. Sie hat vier Kinder im Alter von elf, neun, sieben und fünf Jahren. Mit ihrem Mann führt sie einen Bauernhof, Viehhaltung und Ackerbau. Sie hat Brustkrebs, musste eine Brust wegnehmen lassen, hat dann Chemotherapie und Bestrahlung durchgemacht. Schliesslich empfahl man ihr eine zweite Chemotherapie, die sie nach dem fünften Mal abbrechen musste, weil sie dermassen Durchfall hatte, dass sie an den Tropf gehängt werden musste, um genügend Flüssigkeit zu bekommen. Sie ist trotz allem zuversichtlich, weil sie sich einer Erhaltungstherapie unterziehen kann und bei der zweiten Chemo glücklicherweise nicht die Haare verloren hat, wie bei der ersten.
Die junge Frau mit den beiden Kindern erzählt mir, dass sie Antworten auf ihre Fragen nach dem Warum haben müsse. Sie glaubt, dass es sie getroffen hat, weil sie die Chemo recht gut verträgt und sie sich genügend stark fühlt, wieder gesund aus der Sache rauszukommen.
Die dritte Frau, die etwas später ankommt hatte vor neun Jahren Brustkrebs. Vor kurzem ist ein Krebs bei den Lymphen wieder ausgebrochen. Sie musste operieren und sich wieder einer Chemotherapie unterziehen. Aber es sieht gut aus, der Verlauf ist sehr positiv, was sie freut.
Später kommt noch eine ältere Dame, die die ganze Zeit schläft.
Einen Kommentar schreiben